Hausarbeit - Care

Liebe zur Freiheit - Hunger nach Sinn. Flugschrift über Weiberwirtschaft und den Anfang der Politik

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Verwandte Site: Professionalisierung sozialer Arbeit

 

Ina Praetorius:

Ich mache mir Gedanken über den Begriff "Care". In der Flugschrift ist Care einerseits weiterhin als Gegensatz zu Zweckrationalität verstanden (35), wobei betont wird, dass in der Realität meistens ein Mischungsverhältnis von beiden vorliegt. Andererseits bedeutet Care einen generationenübergreifenden Tauschhandel von personenbezogenen Diensten. Traditionell wird mit Care/Fürsorge eine einseitige Hingabe oder sogar Selbstaufopferung für andere assoziiert.

Meine Erfahrung sagt, dass Care tatsächlich in erster Linie ein Tauschverhältnis ist, und zwar nicht nur auf der Makroebene zwischen den Generationen, sondern auch im je einzelnen Vollzug. (Das wird bestätigt durch die Mailänderinnen, die im Ende des Patriarchats sagen, dass schon Kleinkinder souveräne HändlerInnen sind.) Dass ich, wenn ich Care-Arbeit leiste, meistens unmittelbar etwas zurückbekomme, könnte ein Grund dafür sein, dass viele Frauen sich gegen die Einbeziehung dieser Arbeit in die Lohn-Logik wehren, denn: wenn ich für mein Tun schon was bekommen habe, warum soll ich das Ganze dann nochmal gegen Geld tauschen? Dann gibt es da noch die Bestandteile des traditionellen Care, die tatsächlich einseitige Dienstleistung sind, z.B. eine Wohnung alleine für andere putzen oder die Wäsche für erwachsene Söhne machen. Die meisten Hausfrauen können sehr gut unterscheiden, wo gerechter Tausch im Care endet und Einseitigkeit beginnt. Diese Trennung sollte aber auch begrifflich deutlich werden, weshalb ich mir allmählich überlege, ob der Begriff Care nicht zu viel in sich vereinigt und differenziert werden sollte. Eine weitere Frage: Wenn Care im engeren Sinne schon Tausch ist, müsste dann nicht die gesellschaftliche Honorierung nach einer anderen Logik erfolgen als nach der herkömmlichen Logik Lohn für Leistung, die sich am Herstellungsprozess und an sichtbaren Produkten herausgebildet hat? Welche Logik aber? Existenzgeld? Daseinsgeld? Das hört sich dann aber wieder so an, als sei Care keine Arbeit. Care-Geld? So weit mal. Irgendwie habe ich das Gefühl, wieder mal kurz vor einer tollen Wort-Kreation zu stehen.

 

Antje Schrupp:

Ein Problem bei dem Ganzen ist doch, dass die Frage, was ein jeweiliges Tausch-Äquivalent ist, sowohl eine objektive wie auch eine subjektive Seite hat. Deshalb glaube ich nicht, dass es möglich ist, eine terminologische Unterscheidung zwischen einseitiger und gegenseitiger Dienstleistung zu ziehen. Ich habe mir darüber kürzlich Gedanken gemacht, weil eine Freundin von mir seit längerem darüber einen Disput mit ihrer Mutter führt. Ihr inzwischen dreißigjähriger Bruder bringt nämlich immer noch die Wäsche nach Hause. Die Mutter argumentiert, so kommt er wenigstens regelmäßig sie besuchen. Und ihr macht es doch keine Mühe, einfach eine Maschine mehr zu waschen. Das scheint der Frau also ein befriedigendes Tauschverhältnis zu sein, und welche Argumente könnte meine Freundin schon dagegen vorbringen? Sicher keinen ökonomischen Diskurs oder den Hinweis auf irgend etwas "Objektives". Aber sie kann ihre eigene Beziehung zu der Sache mit ins Spiel bringen. Zum Beispiel thematisieren, dass ihr Bruder ihr gegenüber in solchen Dingen schon immer bevorzugt wurde und dass sie jetzt die Schnauze vollhat. Oder so. Dann würde sich nämlich das Tauschverhältnis ändern. Denn jedes Mal, wenn der Sohn sich zuhause durchfüttern lässt, ist die Tochter schlecht gelaunt und weigert sich, auf die Oma aufzupassen. Und dann muss die Mutter irgendwie reagieren. Vielleicht ist es ja so, dass wenn alle dieses subjektive Tauschspiel bewusst führen, wir uns unter'm Strich auch einem objektiv angemessenen Äquivalent nähern? (das wäre so was wie eine Renaissance von Adam Smiths "invisible hand", aber eben unter Einbeziehung von allem, Liebe, Zuwendung, Arbeit, Bequemlichkeit etc.).

 

Ina Praetorius:

Ich finde, mit Deinem Einwilligen in die allzugrosse Komplexität der Carebeziehungen, da gibst Du zu schnell auf. Zuerst müsste ein Diskurs über die Vielschichtigkeit der Tauschbeziehungen mal in die Oeffentlichkeit getragen werden. (Das könnten z.B. die Wissenschaftlerinnen der Hauswirtschaft tun, oder sie tun es z.T. schon, bloss nicht offensiv genug...Und wir Feministinnen sind ja auch schon lange dran...). Solche Dispute wie der Deiner Freundin mit Ihrer Mutter führen doch fast alle Frauen irgendwo und irgendwann, bloss meinen die meisten immer noch, dass es dabei weder um Politik noch um Oekonomie geht, sondern um ihre Privatangelegenheiten. Ich beobachte zur Zeit interessiert, wie der Spitex-Verein in unserer Region neu organisiert wird. Da zerbricht sich eine ganze grosse Kommission jahrelang den Kopf darüber, wie die Bereiche Hauspflege, Haushilfe, Putzdienst, psychologischer Dienst etc. säuberlich auseinandergenommen werden und auf Leistungspunkte, Qualifikationsstufen und Qualitätsmanagement zugeschnitten werden können. (Herstellungslogik...) Derweil werden die Spitex-Leistungen immer weniger in Anspruch genommen, denn: das Dumme ist, dass das Ganze immer weniger funktioniert, weil die Leute, die Pflege brauchen, sich nicht so in Bereiche aufteilen lassen und deshalb doch lieber die Nachbarin fragen... (Resultat: Ineffizienz). Da hat der gute alte Frauenverein viel besser funktioniert: Frauen aus dem Dorf gingen einfach hin und fragten, was nötig ist, und dann machten sie es oder sie suchten eine geeignete Person, die es macht. Die Weisheit des Frauenvereins ehren, und die Ausbeutung der Frauenvereinsarbeit beenden. So in der Richtung...

 

Antje Schrupp:

Den Tauschcharakter von Care in den persönlichen Beziehungen deutlich machen heisst für mich ja nichts anderes, als damit in die Öffentlichkeit zu gehen. Das geht ja nicht nur über politische Diskurse, sondern auch, indem man es jeweils in der Situation bewusst macht, sich selbst und den anderen. Denn tauschen hat ja immer noch eine negative Konnotation von Eigennutz etc., und nicht den von Gerechtigkeit oder Gegenseitigkeit oder so. Und was du über den gegenwärtigen Versuch sagst, soziale Einrichtungen marktfähig zu machen, ist genau die Gegenseite der Medaille. Eine Ideologie, die ja derzeit fast epidemische Ausmasse annimmt und viele gute und nützliche Institutionen heimsucht, und ihnen leider wahrscheinlich über kurz oder lang den Garaus macht. Ich habe das in letzter Zeit im Bereich der Diakonie in Frankfurt mit Entsetzen beobachtet. Es wird höchste Zeit, dass sich die Gesellschaft, also wir, da Alternativen ausdenkt. Da funktioniert nämlich bald kaum noch was...

 

Ina Praetorius:

Täusche ich mich, oder werden jetzt am anderen Ende der Wirtschaft - z.B. in den Banken, Versicherungen... - personen- und situationsbezogene Rundumdienstleistungs-Servicepakete ausgeheckt? Also das, was im Care Bereich, z.B. in der Diakonie gerade als alter Zopf abgeschnitten wird? Für die Reichen, in erster Linie? Das würde bedeuten, dass die klassische Care-Arbeit der Frauen jetzt zerstückelt - taylorisiert heisst das glaub ich - wird, während die Vermögensberater, zum Beispiel, das Care-Prinzip der Rundumversorgung entdecken oder, wie sie vermutlich meinen, erfinden? Das vermeintlich Vormoderne setzt sich als Aventgarde an die Spitze, und die Erfinderinnen (die meisten, ausser uns) merkens nicht?

(Fortführung dieser Diskussion auf der Site Professionalisierung von sozialer Arbeit)

 

Ingeborg Dietsche:

Heute habe ich gründlich über diesen Begriff Care-Arbeit nachgedacht. Dies ist das Ergebnis:

These 1: Jede Arbeit ist lohnwertig - wer sie leistet, bekommt - wer sie fordert, zahlt.

These 2: Es gibt Sisyphusarbeiten, also Arbeiten ohne Ende, die immer wieder getan werden müssen. Sie hängen damit zusammen, daß jeder Mensch sich waschen, anziehen, essen, trinken und das Verdaute wieder ausscheiden muß. Diese Arbeiten verrichten sogar Tiere, z. B. eine Katze putzt sich. Wo gelebt wird, muß geputzt werden.

These 3: Immer wieder den ursprünglichen Zustand herzustellen, das ist eine Sisyphusarbeit. Sie kehren immer wieder und diese Putzarbeiten sind unsichtbar. Das Glücksgefühl, diese Arbeit getan zu haben, hält nur kurz an, dann rollt wieder eine Woge von Staub und Dreck heran, die alles bedeckt. Die Natur selbst handelt so. Ein Haus bleibt nicht lange bestehen, wenn man es sich selbst überlässt. Es zerfällt, wird zu Schutt, Staub bedeckt es, Gras wächst darüber und viele Jahre später kündet nur noch ein bewachsener Steinhügel vom ehemaligen Gebäude. Das Haus, eine Wohnung, ein Möbelstück, Gerätschaften, Kleidungsstücke bleiben nur erhalten, wenn sie geputzt und gepflegt werden und schadhafte Teile erneuert werden.

These 4: Putz- und Pflegearbeiten sind Fürsorgearbeiten. Carearbeiten sind sinnvoll, weil sie dem Leben dienen oder dem Leben dienenden Dingen dienen. Carearbeit ist wertschöpfend. Sie erhält Werte und gibt dem Leben eine bestimmte Art von Lebensqualität.

These 5: Care-Arbeit ist lohnwertig. Familienarbeit ist Care-Arbeit. Familienarbeit als Care-Arbeit ist wertschöpfend. In unserer Gesellschaft (Mitteleuropa 1999) wird der Ertrag dieser Arbeit der Gesellschaft zur Verfügung gestellt, also sozialisiert und in unserer Gesellschaft wird der Aufwand zumeist von Frauen privat geleistet, also privatisiert.

Erweiterung von These 1: Jede Arbeit ist lohnwertig. Wer sie leistet, bekommt, wer sie fordert, zahlt. Die Bezahlung kann durch Tausch erfolgen. Dabei kann Arbeit nur mit Arbeit getauscht werden, oder gegen den Gegenwert von geleisteter Arbeit, das Tauschmittel heißt Geld. Gesetzliche Vorschriften sorgen in unserer Gesellschaft dafür, daß dieser Tausch gelingt.

Liebe kann nur mit Liebe getauscht werden - und ist freiwillig. Sie kann nicht mit Gesetzen durchgesetzt werden. "Liebe" gegen Geld ist keine "Liebe", sondern Sex und heißt Prostitution. Dort wird zur Zeit über gesetzliche Regelungen nachgedacht. Der Tausch Arbeit gegen Liebe ist nur dann ein echter Tausch, wenn Care-Arbeit mit Care-Arbeit, also gegen Fürsorge getauscht wird. Bisher lautet die gängige Regel, wer Arbeit gegen "Liebe" tauscht, ist selber schuld. Es bestehen kaum gesetzliche Regelungen, diese Arbeit für die Gesellschaft mit Fürsorge-Leistungen im Rentenrecht usw. abzusichern.

Schlußfolgerung: Wenn ich Care-Arbeiten für mich selbst verrichte, bekomme ich den Gegenwert in mehr Lebensqualität und in der längeren Haltbarkeit und Benutzbarkeit der Dinge. Wenn ich Care-Arbeit für die Gesellschaft leiste, muß sie bezahlt werden, von dem-, den- oder derjenigen, der/die sie fordern. Wenn nicht, dann gehört die Wertschöpfung daraus mir allein. Logisch, oder?

 

Ina Praetorius:

Hallo Ingeborg und andere, deine Thesen sind gut. Stehen sie schon auf der Hausfrauenwebsite? Na ja, kann ja selber nachsehen... Da ich soeben wieder mal beim Abwasch die Jahrhundertidee hatte, frage ich mich, ob das, was Du Sisyphusarbeit nennst, nicht noch mehr leistet als die Wiederherstellung/Pflege/Erhaltung der Lebensdinge. Es kann kein Zufall sein, dass ich diese Art von Arbeit brauche - ja: brauche -, um in meinem Metier, der Schriftstellerei, kreativ sein zu können. Das muss irgendwie mit diesem Lebenszirkel, mit dieser Wahrheit von Ermattung/Tod/Rekreation/Wiedergeburt zu tun haben: Ohne Leben kein Leben, Muraros fleischlicher Kreis... Allerdings muss ich, müssen wir aufpassen, dass die Beschreibung der wundervollen Komplexität dieses Daseins nicht auf Kosten der Gerechtigkeit geht. Und deshalb tangiert meine Behauptung oder Ahnung, dass aus dem scheinbar Immergleichen der Putzarbeiten das wirkliche Neue entsteht, auch nicht die Forderung nach Bezahlung, die Du in Deinen Thesen aufstellst. Im Gegenteil: Das <Wertschöpferische> dieser Arbeit wird durch meine Erfahrung der Kreativität, die sich gerade hier ereignet, noch unterstrichen. Es ist für Frauen heute sehr wichtig, dass sie sich nicht aus dem Bezahlungs-Konzept bringen lassen durch das (richtige) Argument, Familienarbeit sei doch so schön und sinnreich. Als ob Berufsarbeit nicht auch schön und sinnreich sein dürfte und trotzdem selbstverständlich bezahlt wird. Allerdings möchte ich doch meine Skepsis am herkömmlichen Konzept Lohn-für-Leistung wiederholen. Ich möchte nicht gerecht behandelt werden, weil ich so perfekt putze, sondern weil ich da bin und weil mein Leben Sinn macht (jetzt werde ich schon bald theologisch...)

 

Ingeborg Dietsche:

Die Thesen waren nur als Gedankenanstoss für die Putzarbeit, die doch sehr unsichtbar gemacht wird, gedacht. Auch ich habe oft die besten Gedanken beim Bügeln, beim Abwasch, bei irgendeiner Tätigkeit, die mehr oder weniger mechanisch abläuft. Putzarbeit - in ihrer ewigen Wiederholung - ist so sinnvoll wie das Leben, das wollte ich damit ausdrücken. Und ich halte gar nichts davon, zu denken - sie sei es nicht wert, darüber nachzudenken. Ordnung und Chaos - Putzen und die Rückkehr des ursprünglichen chaotischen Zustandes zwischen Sauberkeit und Dreck, das ist wie Ebbe und Flut, Vollmond und Neumond, Yang und Ying, Wachsein und Schlafen.

Nun, es ist hier in dieser Flugschrift zu fragen, was wollen wir diskutieren? Ob es gerecht ist, dass Putzarbeit zumeist unsichtbar von Frauen geleistet wird und eigentlich bezahlt werden sollte? Welchen ökonomischen Wert Putzarbeit darstellt? Ob jeder seinen eigenen Dreck selber putzen soll, der dazu in der Lage ist? Und was ist mit den Menschen, die dazu nicht in der Lage sind? Care-Arbeit an Dingen, Care-Arbeit an Menschen - das lässt sich nicht eindeutig auseinanderhalten! Wenn ein Kind erbricht, zur Toilette muss, usw. usw. ist das sowohl Putzarbeit als auch Care-Arbeit an diesem Menschen, genauso bei alten Menschen. Was mich wundert, ist, warum ist diese Arbeit so niedrig bewertet, seit Urzeiten, als die Sklaven diese Arbeit tun mußten? Warum haben Männer kein "Putz-Gen"? Sehen sie es einfach nicht? Können sie einfach mit mehr Dreck leben? Noch eines, ein neuer Ansatz ist es im Christentum, daß Jesus den Aposteln die Füße gewaschen hat und den Männern (?!) damit ein eindrückliches Beispiel gab? Was wollte er mit dieser Handlung sagen? Welcher Lehrer in anderen Religionen gab ein solches Beispiel? Fragen über Fragen - was denkt Ihr darüber?

 

Antje Schrupp: 

Hi, Ihr Putzteufelinnen, ich muss nur mal einwerfen, dass ich auch zu denen gehöre, die absolut ungern "Hausarbeit" mache (und leider stimmt das fuer meine WG-Mitbewohnerinnen auch...), dass mir dabei auch selten irgendwelche Ideen kommen (die kommen mir beim Rauchen, aber das heisst ja nicht, dass rauchen gut ist, oder vielleicht doch?).

 

Ina Praetorius:

Das musste ja kommen. Wenn eine sagt, sie habe gute Ideen beim Abwasch, dann kommt die andere und verkündet mit hörbar verrucht-rauchiger Grabesstimme, das könne frau aber ganz sicher nicht verallgemeinern und sie, ja sie finde Putzen ätzend und überhaupt und wir sollen hier nicht so romantisch kommen und... Irgendwie langweilt mich dieses Muster, obwohl: natürlich ist es Dein gutes Recht, Antje, lieber zu rauchen als Haushalt zu machen und das haben wir ja alles schon tausendmal diskutiert und es langeweilt mich halt trotzdem.

 

Antje Schrupp:

Danke, Ina, dass du bestätigst, dass es mein gutes Recht ist, lieber zu Rauchen, als Abwasch zu machen. Aber ist es auch richtig? Sinnvoll? Nützlich? Ich fürchte nicht... Es ist nämlich so: Es ärgert es mich ja durchaus, dass ich stundenlang dasitzen und auf den leeren Computerbildschirm gucken kann, und dann zuende ich mir eine Zigarette an, und da ist sie, die Idee. Meine virtuelle Stimme sollte deshalb auch nicht verraucht klingen, sondern verärgert. Schon gar nicht wollte ich verrucht wirken. Ich hatte bloß den Eindruck, du hättest in deinem Beitrag über die pure Koinzidenz: Abwasch machen - Idee kriegen, hinaus irgendwie eine weiterführende Theorie ableiten wollen. Dagegen wollte ich so meinen Zweifel anbringen. Übrigens auch, weil diese Hausfrauennostalgie mich schon in verschiedenen "Zusammenhängen", wie man so schön sagt, geärgert hat. Vielleicht ist das aber tatsächlich altmodisch, auch wenn ich das eigentlich nicht finde (das sagt ja auch nichts darüber aus, ob es wahr ist). Aber Langeweile ist natürlich schon ein gutes Argument. Dem muss ich mich geschlagen geben. Nur noch eines: Das Reaktionsmuster - Kaum sagt man mal, da kommt schon eine, ist ja wohl so ziemlich das stereotypeste, was man sich vorstellen kann. Aber vielleicht sind ja Stereotype notwendig und sinnvoll und letztlich kreativ, weil sie Ärger auslösen und damit Reaktionen und damit Streit und damit Auseinandersetzung und damit neue Ideen...

 Ina Praetorius:

Du hast recht, Antje: Ärger ist nützlich, auch wenn er erst mal vor allem ärgert... Bei Dir gibts so Wörter: Hausfrauennostalgie, Mutterdings... Die ärgern mich. Bei mir schnappt da was ein, wenn eine kommt und das Rauchen gegen das Abwaschen ausspielt. Ich bin Dir tatsächlich sehr dankbar für Deine Erklärung, dass Du das Rauchen nun nicht seinerseits als was Tolles hochstilisierst und Hausfrauennostalgie gegen konventionelle Emanzennostalgie ins Spiel bringst. Abwaschen kann ätzend sein, Rauchen auch, und bei beidem kann frau die wunderbarsten Gefühle und Ideen haben, nehme ich mal an, als Nichtraucherin. (Hättest Du vom Alkohol gesprochen, dann könnte ich da schon viel besser mitreden.) Also, was will ich sagen? Anwaschen ist tatsächlich nützlicher als Rauchen. Ich mache gern Dinge, die gleichzeitig nützlich und schön und inspirierend sind. Und nachher setze ich mich hin und trinke mein Gläschen, oder auch gleichzeitig. Eigentlich war das Thema sowieso die Care-Arbeit. Und ich wollte - zu Ingeborg - bemerken, dass Care-Arbeit nicht nur das vorpolitische Sichblindimkreisdrehen ist, das z.B. auch noch Hannah Arendt darin sieht, sondern dass es in einen Kreativitätskreislauf eingebunden ist... sein kann ... manchmal.

  

Angela Standhartinger:

Ich habe meine Ideen immer dann, wenn ich keine suche. Z.B. unter der Dusche oder so. Ich glaube der Trick besteht darin, ueber etwas nachzudenken ohne krampfhaft daran zu denken das frau jetzt sofort oder zumindest ganz schnell eine Idee braucht oder moechte. Leider tendiert frau - ich zumindest - leider dann auch dazu, in der Ablenkung das Eigentliche ganz zu vergessen. So bin ich das ganze Leben auf der Suche nach dem Mittelweg zwischen zuviel Ablenken und zu krampfhaft in der Arbeit nach Ideen zu suchen.

 

Ingeborg Dietsche:

Unlängst stellte ich die Behauptung auf: "Weil die einen mehr (Geld, Ansehen, Macht, usw.) bekommen, als sie verdienen, bekommen die anderen nicht das, was sie verdienen (Geld, Ansehen, Macht usw.)!" Diese Behauptung kann durch einen Satz vom Ökonomen John Kenneth Galbraith (1973, Wirtschaft für Staat und Gesellschaft) erhärtet werden: "Die Verwandlung der Frauen in eine heimliche Dienstbotenklasse war eine ökonomische und ideologische Leistung ersten Ranges. Diener für niedere Arbeiten konnte sich nur eine Minderheit der vorindustriellen Gesellschaft leisten. Im Zuge der Demokratisierung steht heute fast dem gesamten männlichen Bevölkerungsteil eine Ehefrau als Dienerin zur Verfügung."

Noch eine Frage zu den bundesrepublikanischen Verhältnissen: Ist die Frauenbewegung in der BRD deshalb so wenig vorangekommen, weil die Staatspatriarchen den verschwommenen Begriff "Familie" nur so und nicht anders verstanden haben und auch nur so verstehen wollten??? Bitte mich nicht mißverstehen: Das mindert nichts am Wert der Arbeit, der Befriedigung, die in ihr liegt usw., sondern ich behaupte eben ganz einfach: "Weil die einen mehr (Geld, Ansehen, Macht, usw.) bekommen, als sie verdienen, bekommen die anderen nicht das, was sie verdienen (Geld, Ansehen, Macht usw.)!"

  

Antje Schrupp:

Mir ist noch was zu dieser kleinen Polemik über Putzteufelinnen und Raucherinnen eingefallen. Ich glaube, da spiegelt sich auch eine Veränderung wieder, die vielleicht etwas mit Alter/Generation zu tun hat. Du scheinst in meinem kleinen Einwurf so eine Art Wiederkäu der Ex-Feministinnen-Rebellion gegen das Hausfrauendasein wiedererkannt zu haben. Nun ist es aber so, dass ich (und viele meiner Freundinnen) gar nicht mehr zu denen gehören, die sich irgendwann bewusst gegen das Putzen oder Kochen entschieden haben und das jetzt noch ideologisch vor sich hertragen. Für uns hat sich die Frage nie gestellt. Unsere Mütter haben uns nicht gezwungen, das zu lernen, also können wir das nicht und fügen uns in unser Instant- und Spaghetti-Schicksal, verdienen vielleicht gut genug, um ab und zu mal anständig essen zu gehen oder starten einmal im Monat eine Riesen-Kochbuch-Aktion (mit mittelmäßigem Ergebnis). Ja, und den Dreck, den sehen wir tatsächlich nicht. Vielleicht sind wir da schon wie die Männer? Hier ist jedenfalls keine alte Femi-Rebellion im Gange, sondern eher so was wie Trauer über verpasste Gelegenheiten. Oder sogar Neid?

Also: Welchen Ausweg gibt es? Ich zum Beispiel habe jetzt aus purer Verzweiflung ein bisschen mit dem Kochen angefangen, weil ich das Zeug, das die anderen in meiner WG so auf den Tisch bringen, nicht zum Genießen finde. Meine WG findet das natürlich klasse. Und ich fühle mich auch irgendwie geschmeichelt, wenn alle mir sagen, wie toll es bei mir schmeckt (was schon zeigt, wie tief das Niveau gesunken ist). Aber schon sind wir bei der Frage der Gerechtigkeit. Gut, die eine schleppt die Getränkekisten in den vierten Stock, aber richtig gut wäre es eigentlich, wenn ich mal eine Weile nix anderes machen bräuchte als Haushalt. Dann könnte ich vielleicht noch besser kochen. Wir haben schon rumgesponnen, wie das so funktionieren könnte: Bei der Steuererklärung muss jeder angeben, für wen er kocht, und ich würde vier Leute (viereinhalb vielleicht, für den Freund der einen, der jeden zweiten Tag vor der Tür steht) angeben, und das bekämen die dann von der Steuer abgezogen und ich ausbezahlt. Und das könnte man prozentual oder irgendwie auch für andere Tätigkeiten angeben, Wäsche waschen, einkaufen, putzen... Neben dem Geldtransfer hätte das auch den Vorteil, dass bewusst festgehalten werden müsste, wer hier eigentlich was macht. Aber: Würde das dann das Verhältnis zwischen uns ändern? Würden die mich dann als Dienstmädchen behandeln? Ich kann mir das eigentlich nicht vorstellen.

Und damit bin ich bei der Frage von Ingeborg, warum das Putzen und Kochen etc. so gering bewertet wird. Ist das heute denn noch so? Oder gewinnt es - und an mir selbst beobachte ich das - wieder Prestige, weil es Mangelware geworden ist?

 

Heidrun Suter-Richter:

Was ist so schlimm am Neid - und dass es dann plötzlich Worte gibt, die wie Sterne auftauchen und einen ganzen Schweif mit sich ziehen? Jedenfalls hatte ich den Exkurs von Antje in ihre Kochbuchkünste auch als Schritt zur "Entspannung" verstanden..und Neid ist doch auch Ausdruck davon, dass es eben etwas gibt, was ich nicht habe aber vielleicht auch erreichen könnte..- also Ansporn ..Jedenfalls putze  ich auch nicht gern und die Spülmaschine ist wirklich das beste Ding in unserem Haus- und neulich hörte ich, dass die meisten Menschen am glücklichsten sind, wenn sie allein im Auto fahren, ganz für sich und ungestört mit freischwebender Aufmerksamkeit....

Jedenfalls bin ich sicher eine sehr erfahrenen "Hausfrau"  mit ausführlichem Koch- und Putzunterricht in der Kindheit (Mama)  und in der Schule (jawohl) und reichlichen Erfahrungen in Wohngemeinschaften (reinen  und gemischten) und dann auf einem Bauernhof, und 8 Jahre als "Hausmutter" (ehrenamtlich ) mit 20 StudentInnen aus allen Ländern (Putz und Koch- Einkaufsmanagement)..und seit drei Jahren in Kleinfamilie mit drei männlichen Menschen (noch unklar ob zu den Dinge, oder zur Welt oder einfach zu meinem Leben gehörend... ein Thema , dass ich noch weiterdenken müsste,,,) Mir fallen unendlich viele Erinnerungen ein, z.B. wie das war, als eine der Frauen in der "reinen WG" magersüchtig wurde und immer an meinem Essen rummäkelte, und wie das jetzt ist, wenn man dreimal täglich doch für Verpflegung der Kinder sorgen muss, die eben auch immer mäkeln...wie ich als Kind auch...und sich Fischstäbchen wünschen, statt meine köstliche Hühnersuppe mit Semmelklösse oder meine Butterkremtorte.. und dass ich gern mit meinem Vater die Schuhe putzte, weil die Schuhkrem so gut roch und auch der Bohnerwachs. Aber das ärgerliche ist eben , dass Putzen und Haushalt überhaupt so lustabhängig geworden ist. D.H. ich weiss nicht mehr wann es Zeit ist zum Putzen, und zum was Kochen- immer muss ich meine Lust erspüren- oder die der Kinder. (Die Notwendigkeit ist dabei sicher weitaus höher als in einer WG) Ich muss selber entscheiden, weil zwar die Güsel- und Zeitungsabfuhr fix ist..aber ob ich das Klo heute oder morgen oder gar nie ...

Aber nochmals Nostalgie,- früher (als ich Kind war - bin Jahrgang 57) war bei uns jeweils am Freitag Fischtag und am Samstag Putz und Badetag- weil zum Sonntag sollte der Körper und das Nest sauber sein. Also wurde von allen geputzt und - von mir geschimpft, weil ich lieber lesen wollte. Und am Sonntag gab es Braten und zu Ostern wurden die Fenster geputzt... und das Putzen war also eingebettet in die Blicke der Nachbarschaft und den Zeitenlauf, ja beinahe in die Natur. (Meine stärksten "Putztriebe" hatte ich übrigens in der Schwangerschaft- da stand ich mit dicken Bauch in der Badewanne und putze die Fliesen!?)

Eines der besten Bücher zu diesem Thema, das ich vor Jahren einmal gelesen hatte,  geht den Wäscherinnen und den Köchinnen in einem Dorf im Burgund nach. Sehr schön wird dort hergeleitet, wie früher (lang, lang ist`s her) die grosse Wäsche zweimal im Jahr war, im Herbst und im Frühjahr,- in Zeiten der Umwälzung... Und die Frauen wuschen nicht einfach allein sondern gemeinsam mit genauen hierarchischen Aufteilungen, und natürlich spielte auch das Tratschen eine wichtige Rolle . An der Wäsche las man einiges und die Leintücher konnten auch zum Orakel gebraucht werden, je nachdem wie die Kleider im Wasser schwammen Die " Wäscherinnen" wuschen nicht nur die Wäsche sondern auch die Neugeborenen und die Toten. Und so war also der Alltag Teil eines umfassenderen Geschehens.  Natürlich ist diese Arbeit mit den Waschmaschinen, die nun jede im Keller hat individualisiert und jederzeit auch am Sonntag und in der Nacht möglich, dann wenn man Lust hat - oder keine Unterhosen mehr. Und auch ich bügele gern, wenn ich so ungestört und freischwebend eine Radiosendung hören kann und will nicht zu den Quellen zurück- und doch fände ich es schön, wenn ich  zu Weihnachten einen sauberen Stall hätte .

 

Ina Praetorius:

Und jetzt noch eine Putzgeschichte, die mir grade eingefallen ist, als ich mir beim Duschen überlegt habe, ob ich mir vor Weihnachten das Bad nochmal vornehmen soll: In meiner Heidelberger WG (1980-83, 2-3 Frauen, 2-3 Männer. Besetzung mehrmals wechselnd) haben wir einmal sehr lange die Badewanne nicht geputzt. So lange, dass wir schliesslich alle nicht mehr daran glaubten, dass es irgendein Mittel geben könnte, um dieses hartnäckige Gemisch aus Kalk und Dreck zu entfernen, das aus der ehemals glänzenden weissen Mulde ein stumpf-rauh-beiges Ding gemacht hatte, in dem wir allerdings immer noch freudvolle Entspannungsbäder veranstalteten. Eines Nachmittags betrat ich das Badezimmer, und siehe da: die Badewanne glänzte in alter Pracht. Einer unserer Männer, der auch sonst für ziemlich viele alltägliche Probleme ziemlich gute Lösungen erfand, hatte eine Stunde lang die Wanne mit einer Rasierklinge bearbeitet. Ich praktiziere diese Methode bis heute, auch wenn nur ein drei- oder vierwöchiger Dreck aufliegt. Es macht Spass, mit dem scharfen Messerchen den Belag abzukratzen, der sich dann so schön kringelt und eine wunderschöne, erstaunlicherweise ganz unverkratzte schimmernde Fläche zum Vorschein kommen lässt. Ausserdem ist das die oekologischste Wannenputzmethode, die ich kenne. Und jedesmal schicke ich im Geiste ein paar Grüsse an meinen putzkreativen WG-Kollegen, der übrigens inzwischen zum einzigen Vollamt-Hausmann geworden ist, den ich kenne (Vater von drei Kindern, Ehemann einer Pfarrerin).

Und noch eine interessante Nachricht: Der Internationale Verband für Hauswirtschaft IVHW hat anlässlich seiner 3. Europäischen Fachtagung in Bonn 1999 einen neuen "Bildungsnotstand" konstatiert. Zitat: "In unserer Do-it-yourself-Gesellschaft zeigt sich ein modernes Analphabetentum. Um dem zunehmenden Bildungsnotstand zu begegnen, fordern die hauswirtschaftlichen Verbände eine Stärkung der familienorientierten Bildung." (Hauswirtschaft und Wissenschaft 4/1999, 190) Sprich: Immer mehr Leute sind immer weniger in der Lage, ihren eigenen Alltag zu organisieren, weil die Familien (sprich: die Mütter) das Wissen dazu nicht mehr weitergeben und ein erwerbsfixiertes Bildungswesen die Lücke nicht schliesst. Der Verband fordert  jetzt "ein konsistentes, auch auf Haushalt und Familie bezogenes Bildungssystem", in dem "Daseinskompetenzen" vermittelt werden. "Es fängt beim Kochen an, schlägt sich beim Umgang mit den neuen Medien nieder und hört bei der Sozialkompetenz beim Kontakt mit anderen Menschen nicht auf..."(Ebd.) Hier wird also - anders als in dem von Heidrun zitierten Leserinnenbrief - nicht an die Verantwortung der Mütter und Privathaushalte, sondern an die des Staates und der Gesellschaft appelliert.

 

Antje Schrupp:

Mieke aus den Niederlanden hat berichtet, dass es dort eine starke Tendenz zur "Professionalisierung" der Hausarbeit gibt. Wie ist es nun zu bewerten, wenn auch die Hausarbeit immer mehr in kapitalistische Wirtschaftsformen umgewandelt wird, also nicht nur durch Putzfrauen und andere Hausangestellte in den Bereich der Erwerbsarbeit gerät, sondern wenn solche Arbeiten immer mehr in "Servicecenter" ausgelagert werden, wo Berufstätige sie dann "konsumieren" können? Mir fällt dazu ein, dass diese Vorstellung, man könne die Hausarbeit aus dem Haus auslagern und kollektivieren, ein  Bestandteil vieler frühsozialistischer Theorien war, die auch eine Entlastung der Frauen dabei im Sinn hatten. Bringt uns der Kapitalismus jetzt hintenrum eine Verwirklichung alter Utopien? Oder was ist da schief gelaufen? (11.4.2000)

 

Ina Praetorius:

Zum Thema "Professionalisierung der Hausarbeit" fällt mir spontan vor allem eine Frage ein: Ja um Himmels willen, was wollen wir denn die ganze Zeit noch tun? Irgendwas muss der Mensch doch noch machen in seinem langen Leben, oder? Was tun denn die Frauen in Holland die ganze Zeit? Dann fällt mir noch was aus dem Buch von Fatima Mernissi ein: Da sitzt eine geschiedene "Tante Habiba" auf der Terrasse auf einem selbstgebastelten Thron und erzählt Geschichten aus 1001 Nacht. Sie hat einen majestätischen Kaftan an, an dem sie fünf Jahre lang (!) gestickt und genäht hat. Sie findet: die modernen Frauen kaufen sich ihre Kleider fertig, damit geht ihnen die Beziehung zu sich selbst verloren... Das erinnerte mich an die "Bindung an Dinge" aus der Flugschrift. Ich möchte zwar nicht so gern in einem Harem leben (obwohl vieles in der realistischen Beschreibung der Mernissi auch ausserordentlich attraktiv ist). Aber ich möchte auch nicht in einem Haushalt leben, der wirklich nur noch das ist, was die Chefoekonomen aus ihm gemacht haben: eine nur konsumierendes Einheit. Wenn ich mir vorstelle, wie noch viel langweiliger es wäre, ein kleines Kind zu hüten, wenn ich nicht nebenher kochen, abwaschen, bügeln, nähen könnte... Oder werden die Kinder auch ausgelagert? Was bleibt dann eigentlich noch übrig von dem, was einmal "Zuhause" hiess?

 

Antje Schrupp:

Was die Frauen den ganzen Tag tun, die Haushaltsarbeiten konsumieren (wollen)? Das kann ich dir sagen: Sie gehen 8 Stunden auf die Arbeit (bestenfalls, heutzutage arbeitet man ja meistens schon mehr), anschließend haben sie noch Verabredungen mit Freundinnen, besuchen Vorträge oder Konzerte, gehen ins Kino. Zuhause schlafen sie. Und unterhalten sich mit ihren Mitbewohnerinnen, spielen Doppelkopp, kriegen Besuch, gucken Fernsehen, manchmal essen sie auch zusammen, dann meistens eine Pizza vom Pizzaservice. Soweit der kurze Bericht aus meinem WG-Leben. Also, ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich Hausarbeit wirklich nicht brauche. Die ist lästig, ich ringe sie mir neben bei ab (mehr oder weniger, entsprechend sieht es dann aus) und ich hätte nichts dagegen, wenn mir das professionell abgenommen würde. Aber ich empfinde unsere Wohnung trotzdem als "zuhause". Das manchmal auch gestaltet und dekoriert wird, zum Beispiel für die Rosenmontagsparty, wo die Girlanden und Laternen vom letzten Jahr so lange nicht abgenommen wurden, dass sie dieses Jahr gleich wieder zum Einsatz kommen konnten... Mir ist übrigens damals, als ich in Italien gelebt habe, aufgefallen, dass das auch kulturell sehr unterschiedlich ist. Die Wohnungen, die ich dort gesehen habe, waren im Vergleich zu dem, was ich aus Deutschland kenne, ziemlich lieblos und minimalistisch, nahezu runtergekommen Die Wasserhähne tropften, die Tapeten waren vergammelt, das Geschirr war zusammengestückelt usw. und es wurde nur das allernotwendigste gemacht. Und trotzdem war da viel "Zuhause", mit spontanen Besuchen von Leuten und Nachbarinnen, langen gemeinsamen Abendessen aus Papptellern (damit man nicht spülen muss hinterher) usw. Zeit, Energie und Geld haben die Frauen statt in die Wohnung in Kleidung, sich Anziehen, Schminken usw. gesteckt oder in Handy, Autos, Reisen, Bücher. Ich weiss jetzt auch nicht so genau, was ich daraus folgern soll. Aber ich sehe jedenfalls keinen Anlass, Hausarbeit irgendwie heimelig aufzuwerten. Das ist lästige Arbeit, und es geht im wesentlichen darum, wer sie macht und was sie/er dafür bekommt. Und es ist sehr unterschiedlich, wieviel davon man für notwendig hält. Es gibt ja auch (oder gab es jedenfalls in der Generation unserer Mütter) das Phänomen der Hausfrauen, die es mit dem Putzen ziemlich übertrieben haben, mit Unterhosen bügeln oder so, warum? Um sich aufzuwerten und wichtig zu machen? Oder weil sie sonst keinen Ort fanden/finden, wo sie ihre Energie und Kreativität reinstecken konnten? (12.4.2000)

 

Ina Praetorius:

Es ist ja nun nicht so, dass meine spontane Hausfrauenmail ein Test für die passionierte WG-Bewohnerin sein sollte. Aber wenn er es hätte sein sollen, dann wärst Du mir wunderschön ind Messer gelaufen. An dem Punkt waren wir nämlich schon mal. Ich weiss, dass Du Dein WG-Leben liebst und Hausarbeit lästig findest. Irgendwie kann ich Dich verstehen, denn einstmals liebte ich dieses Leben auch.  Aber verallgemeinern ist nun mal nicht mehr in, seit wird von der weiblichen Freiheit haben. Und ich liebe nun mal die Hausarbeit, finde sie inspirierend und werde sie mir nicht werrationalisieren lassen zugunsten von irgendwelchen Filen oder Handies, die nämlich auch totlangweilig und lästig werden können. Also: verallgemeinern is nich (das gilt auch für Hausfrauen wie mich). Es lebe die weibliche Freiheit. Und dass die Frühsozialisten mit ihren Utopien vorerst gescheitert sind, das liegt sicher nicht an den Kindern, die nämlich am liebsten mit papptelletn vorm Fernseher hocken (hin und wieder...) (12.4.2000)

 

Christof Arn:

Je mehr ich Zugang zum Kreis der Gleichstellungsfrauen erhalte, je deutlicher empfinde ich, dass Haus- und Familienarbeit dort irgendwie ähnlich ein Tabu ist wie bei den Männern. Eine Frau, welche an der Ökonomie-Uni in St.Gallen Gleichstellungsarbeit macht, sagte, Frauenförderung werde auf der Ebene von Mentoring und so abgehandelt. Kind und Hausarbeit seien kein Thema. Sie selber will etwas anderes, steht damit aber alleine. Ich denke, es braucht wirklich beides, die verschiedenen Richtungen von Emanzipation und Gleichstellungsengagement ergänzen sich. Mein Engagement geht in Richtung Bewusstwerdung von Umfang und Tragweite der Haus- und Familienarbeit. Ich stelle fest, dass sich das mit der eigenen Emanzipation als Mann aus Männerrollen hinaus sehr gut verbindet. Ich möchte, das Haus- und Familienarbeit gerade auch zum Männerthema wird. Trotz aller Gefahren, die das birgt, haben wir mit diesem Ziel in Bern eine Tagung für den 27.4.2002 vorbereitet zur Frage: Wieviel Franken ist eine Stunde Haus- und Familienarbeit wert? Der theoretische Hintergrund ist ganz sicher schwächer als das Konzept der Flugschrift und der Weiberwirtschaft. Ich hoffe, dass die Tagung aber ein Schritt in diese Richtung sein wird. Spannend ist, dass das Bundesamt für Statistik plant, den Wert der unbezahlten Arbeit ab 2003 in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (vergleichbar mit dem Bruttoinlandprodukt) darzustellen. Und im Versicherungsrecht muss ein Franken-Wert der Haus- und Familienarbeit berechnet werden, wenn aufgrund eines Unfalles eine Hausfrau oder ein Hausmann diese Arbeit nicht mehr (oder nur noch zum Teil) ausführen kann. Das sind spannende Ansatzpunkte für die Frage nach dem Geldwert der Haus- und Familienarbeit, die an sich natürlich unmöglich ist . An der Tagung in Bern geht es also um den Stellenwert unbezahlter Arbeit - in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung - im Haftpflichtfall - in der Forschung - in der Bildungspolitik - in der Familienpolitik - beim Wiedereinstieg - in der öffentlichen Wahrnehmung Der Morgen der Tagung dient der Darstellung des aktuellsten Forschungs- und Entwicklungsstandes. Der Nachmittag ist mit Podiumsdiskussion und Workshops pragmatisch ausgerichtet. Die Tagung wird veranstaltet u.a. von der Forschung der Lehrerinnen- und Lehrerbildung in Bern gemeinsam mit dem Bundesamt für Statistik. Ich hänge einen Tagungsprospekt an (auch zum Weiterreichen). Zusatzinformationen und Surftipps zum Thema unter www.llb.unibe.ch/franken . (Zu den Surftipps nehme ich sehr gerne weitere Anregungen entgegen!) (7.1.02)

 

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